Tipp des Monats 11/2018

Lüftungsvarianten zur Gewährleistung von guter Luftqualität

Gute Luft ist eine essentielle Grundlage für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Menschen! Nun hält sich der Mensch -in Deutschland- den größten Teil des Tages zu durchschnittlich 90%, in geschlossenen Räumen auf. Deshalb hat Rafael Troll in seiner Abschlussarbeit (Troll, Rafael: Konzeptionierung eines automatisierten hybriden Lüftungssystems für den Einsatz in Schulen, Bachelorarbeit an der Technischen Hochschule Rosenheim, 2018) an der Technischen Hochschule Rosenheim am Beispiel von Schulen unterschiedliche Lüftungsvarianten untersucht.

Sein Fazit: Manuelle Lüftung ist eindeutig nicht ausreichend. Zur Gewährleistung von guter Luftqualität muss eine geregelte Lüftungsanlage zumindest ergänzend eingesetzt werden.

Luftqualität in modernen Gebäuden und Konsequenzen für den Menschen

Schon 1858 wurde von Max von Pettenkofer (von Pettenkofer, Max: Über den Luftwechsel in Wohngebäuden, Cotta’sche Buchhandlung München, 1858) festgestellt, dass bei höheren CO2-Konzentrationen Beschwerden wie Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder Kopfschmerzen zunehmen. Von ihm stammt der noch immer akzeptierte CO2-Schwellwert von 1.000 ppm (parts per million), der nicht überschritten werden sollte. Weitere Studien in diesem Bereich „beweisen“, dass bei z.B. schlechter Luft in Schulen die Fehlzeiten von Schülern bzw. die Fehlerraten bei zu bewältigenden Aufgaben ansteigen. Ähnliches gilt auch für das Wohlbefinden und die Produktivität von Mitarbeitern im Büro.

Das Problem verstärkt sich heutzutage, da moderne Gebäude immer besser gedämmt und Fenster immer dichter werden. Die Grundlüftung über Gebäudeundichtigkeiten nimmt stetig ab. Auch muss beachtet werden, dass die CO2-Konzentration in der Außenluft in den letzten 100 Jahren von ca. 300 ppm auf ca. 400 ppm gestiegen ist – in Städten kann diese sogar im Bereich von 500 – 600 ppm liegen. Dies führt dazu, dass der CO2-Schwellwert schneller erreicht wird und somit die Lüftungsanforderungen in Gebäuden steigen.

Der Mensch ist ein schlechter „Sensor“!

Abbildung 1: CO2-Tischsensor (Quelle: Amazon) zum Vergrössern Bild anklicken

Kennen Sie das? Sie verlassen kurzzeitig einen Raum und bemerken erst bei der Rückkehr in den Raum wie schlecht die Luft ist. Das liegt daran, dass sich der Mensch an schlechte Luft „gewöhnt“.

Sofern Sie keine geregelte Lüftungsanlage nutzen: Stellen Sie im Büro bzw. im privaten Wohn-, Arbeits- oder Schlafzimmer einen CO2-Sensor auf! Gute Geräte gibt es bereits ab € 100,–. Diese zeigen die aktuelle CO2-Konzentration und können bei Bedarf auch Minimal-/Maximalwerte speichern oder den konkreten Messverlauf „loggen“, um diesen später auf einen PC zu übertragen.

So oder so: Sie werden überrascht sein, wie schnell Lüftungsbedarf gegeben ist!

 

Lüftungsvarianten am Beispiel von Schulen

Eine übliche Empfehlung für das manuelle Lüften in Schulen lautet:

Abbildung 2: Verlauf der Luftqualität bei ausschließlich manueller (natürlicher) Lüftung zum Vergrössern Bild anklicken

Lüften in jeder Pause und zusätzlich jeweils 5-minütiges Stoßlüften zwischen den Pausen

Davon abgesehen, dass das kaum konsequent durchgeführt wird – Abbildung 2 zeigt den Verlauf der CO2-Konzentration für einen simulierten Klassenraum (60m² Raumgröße, 4 Dreh-/Kippfenster, 30 Schüler, 1 Lehrer).

Deutlich sieht man, dass sich die Luftqualität schneller verschlechtert als man mit dem Lüften hinterherkommt. Die „schlimmste“ Stunde ist die kurz vor der Mittagspause – bis dann die große Pause zum ersten Mal eine deutliche Entlastung bringt.

Dabei liegt die CO2-Konzentration durchgehend über den empfohlenen 1.000 ppm und auch fast ständig über kritischen 2.000 ppm gemäß den technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) (Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) – ASR 3.6 Lüftung, Ausschuss für Arbeitsstätten, 2012)

Die Simulation der Luftqualität stammt von einem von Herrn Troll eigens entwickelten Programm, welches den Luftaustausch durch manuelle Lüftung berechnet.

Dabei berücksichtigt das Programm, dass der Volumenstrom überwiegend vom externen Winddruck und dem Unterschied zwischen Innen- und Außentemperaturen abhängt. In Konsequenz werden die zu erwartenden Winde gemäß der Windkarte des Deutschen Wetterdienstes als auch die zu erwartenden Temperaturdifferenzen einbezogen.

Weil die ausschließlich manuelle Lüftung offensichtlich nicht genügt, werden im Weiteren unterschiedliche Varianten mit Einsatz einer Lüftungsanlage untersucht. Aus Effizienzgründen wird diese Lüftungsanlage nicht im Dauerbetrieb, sondern bedarfsgeführt betrieben.

Abbildung 3: Lüftungsanlage 540 m³/h und zusätzlich manueller Lüftung in den Pausenzeiten zum Vergrössern Bild anklicken

Abbildung 4: Lüftungsanlage 1.080m³/h und KEINE zusätzliche manuelle Lüftung zum Vergrössern Bild anklicken

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 3 zeigt das Ergebnis für eine „hybride“ Lösung. Dabei wird eine bewusst „unterdimensionierte“ Lüftungsanlage zur Lüftungsunterstützung eingesetzt. D.h. die manuelle Lüftung ist weiter erforderlich. Immerhin ist es so, dass viele Menschen den Wunsch haben, das Fenster zu öffnen. Wenn man diese Tatsache in Betracht zieht, kann man womöglich bewusst die Lüftungsanlage geringer dimensionieren oder zumindest auf geringerer Lüftungsstufe betreiben.

Wie in Abbildung 3 ersichtlich, kann mit einem Luftvolumenstrom von 540 m³/h erreicht werden, dass die CO2-Konzentration deutlich unter der 2.000 ppm-Marke bleibt (im Detail liegt der Maximalwert bei 1.615 ppm). Falls man bei dieser Variante den Volumenstrom auf 720 m³/h erhöht, flacht die Kurve nochmals ab und der Maximalwert liegt nur noch bei 1.316 ppm).

Bei noch stärkerer Auslegung der Lüftungsanlage verliert dann der Einfluss der manuellen Lüftung komplett an Bedeutung. Abbildung 4 zeigt das Ergebnis für eine solche Lüftungsanlage, bei der die manuelle Lüftung komplett entfallen kann.

Nutzerakzeptanz

Wie bei allen Planungsaspekten der Gebäudeautomation sollte die Nutzerakzeptanz von Beginn an mit berücksichtigt werden. Eine Akzeptanzanalyse (Greml, A; Kapferer, R.; Leitzinger, W; Blümel, E.: Klassenzimmerlüftung – 61 Qualitätskriterien, 2008) über mehrere konkrete Projekte im Jahr 2008 zeigt wesentliche Eckpunkte.

Folgende Aspekte wurden kritisch/negativ bewertet und sollten somit im Planungsprozess besonders berücksichtigt werden:

  • Ungenügende Luftmengen
  • Zu hohe Schallpegel
  • „Falsche“ Raumtemperaturen (zu warm/kalt)
  • Nicht angepasstes Gesamtkonzept
  • Ungeeignete Steuerung und Regelung
  • Keine ausreichende Betreuung der Anlage, ungeklärte Zuständigkeiten
  • Ungenügende Nutzeraufklärung
  • Überhitzung im Sommer
  • Einzelraumregelung meist nicht vorhanden
  • Unterdimensionierte Filterflächen führen zu übermäßiger Staubentwicklung im Klassenzimmer

Auf der anderen Seite wurden insbesondere folgende Punkte positiv bewertet:

  • Keine Zugerscheinungen (deutliche Verbesserung zur natürlichen Fensterlüftung)
  • Angenehme Raumtemperatur in der Heizperiode

Abbildung 5 und Abbildung 6 zeigen die Ergebnisse von Befragungen unter Lehrkräften und Schülern. Interessanterweise waren die Lehrkräfte dabei kritischer als die Schüler, aber womöglich liegt das auch an der unterschiedlichen „Bewertungseinteilung“ (zufrieden/unzufrieden versus Noteneinteilung).

Abbildung 5: Zufriedenheit der Lehrkräfte zum Vergrössern Bild anklicken

Abbildung 6: Zufriedenheit der Schüler zum Vergrössern Bild anklicken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Trotz der Unterschiede sieht man in beiden Grafiken bereits einen hohen Anteil an Zufriedenheit.

Wenn man nun bei weiteren Projekten die weiter oben aufgeführten kritischen/negativen Aspekte besser berücksichtigt, ergibt sich ein hohes Potenzial an zufriedenen Lehrkräften/Schülern bei gleichzeitiger Gewährleistung einer gesunden und fördernden Luftqualität!

Fokus Schule und Übertragbarkeit auf andere Raumarten

Kernfokus von der erwähnten Arbeit waren Schulen mit einer hohen Dichte aus Schülern/Schülerinnen und Lehrpersonal. Der konkrete Fokus war erforderlich, um mit konkreten Rahmenbedingungen zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Dabei sind die Ergebnisse auf andere Raumarten übertragbar, in denen eine relativ hohe Personendichte vorliegt (wie Besprechungsräume, Restaurants/Kantinen, Großraumbüros, Veranstaltungsräumen etc.).

 

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